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Erschreckende Entwicklung

Michael Schmidt, 27.11.2009

Erschreckende Entwicklung

 Das Sportgericht des Thüringer Fußballverbandes (TFV) hat dieser Tage reichlich Arbeit vor sich. Unter anderem muss man sich mit den Tumulten beschäftigen, die es am 14. November nach dem Landesklasse-Spiel zwischen Gebesee und Eisenach gab. Augenzeuge dieser Vorkommnisse war Reiner Koch, Schiedsrichterbeobachter und zugleich Vorsitzender des Westthüringer Sportgerichts und Mitglied des TFV-Verbandsgerichts. TA befragte ihn zum Thema.

Sie waren als Schiedsrichterbeobachter in Gebesee Wie bewerten Sie den Vorfall?

Das steht in meinem Zusatzbericht. Auf jeden Fall wäre der Vorfall vermeidbar gewesen, wenn sich beide Mannschaften mehr mit Fußballspielen beschäftigt hätten. Die Enge des Nebenplatzes hat ihr übriges dazu beigetragen. Der ist in dem Fall von Gebesee bewusst gewählt worden, um vielleicht einen entscheidenden Vorteil zu erzielen. Auf dem anderen Platz wäre es höchstwahrscheinlich nicht zu diesen Tumulten gekommen.

Was passiert nun?

Es wird ein Verfahren gegen beide Seiten geben, weil Zuschauer aus beiden Lagern auf den Platz gelaufen waren.

Mit welchen möglichen Folgen?

Dazu lässt sich im Moment wenig sagen. Gebesee sagt, die beiden gambischen Spieler hätten permanent provoziert, Eisenach sagt, sie seien beschimpft worden. Wenn sich der Tatbestand bestätigt, dass die beiden Spieler rassistisch beleidigt worden sind, kann das Gericht Strafen von bis zu 5000 Euro gegenüber Vereinen und Einzelpersonen festlegen. Bei einer Wiederholung, was in dem Fall nicht zuträfe, droht der Mannschaft Punktabzug und danach ist sogar eine Zurückstufung möglich.

Was aber ist mit der Tatsache, dass ein Gebeseer Spieler von einem Eisenacher im Kabinengang geschlagen wurde?

Das wird wahrscheinlich nur zivilrechtliche Folgen haben.

Keine sportrechtlichen?

Die Tätlichkeit ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Ich selber habe sie nicht sehen können, der Schiedsrichter infolge der räumlich voneinander getrennten Eingänge auch nicht. Wie will er da einen Sonderbericht machen? Das Sportgericht hat also in dem Fall keine Handhabe.

Wird damit nicht Schlägern nach Ende eines Spiels ein Freibrief ausgestellt?

Nein. Es gibt die Regel 12, dass Schiedsrichter bis zum Verlassen des Feldes Strafen aussprechen können. Wenn etwas in der Kabine oder auf dem Weg passiert, sind sie zu einem Sonderbericht verpflichtet. Der Schiedsrichter ist während des Spiels der oberste Richter und nach dem Spiel der glaubhafteste Zeuge. Ansonsten stünde von den Vereinen immer nur Aussage gegen Aussage.

Vor kurzem kam es in den Bezirksliga-Partien Marbach gegen Stedtfeld und Walschleben gegen Mihla zu Tumulten, nun in Gebesee. Täuscht der Eindruck, oder häufen sich derartige Vorfälle?

Der Eindruck täuscht keineswegs. Pro Jahr kommen etwa zwei Verfahren hinzu. Wir sind im Verbands- und Bezirks-Gericht jetzt bereits bei 50.

Das bedeutet, mindestens drei Partien landen pro Woche auf dem Tisch der Sportgerichte. Woran liegt die Ursache für die offenbar zunehmende Gewalt? Alle sagen, dass es ein gesellschaftliches Problem ist.

Was sagen Sie als Vertreter des Sportgerichts?

Fußballplätze werden vor allem in tieferen Ligen immer häufiger genutzt, um Frust oder Aggressionen abzubauen. Sei es von Zuschauer- oder von Spielerseite. Woran das liegt, können wir nicht beurteilen. Das erschreckendste an dieser Entwicklung ist, dass Aggressivität und Brutalität - vor allem nach Spielende - immer mehr hervorstechen und dass diese sehr oft von Zuschauerseite aus aufgebaut werden.

Was kann das Sportgericht dagegen unternehmen?

Wie wollen Sie Strafen gegen Zuschauer aussprechen? Es kann am Ende nur die Vereine treffen, wenn Ausschreitungen passieren. Fest steht, dass die Rechts- und Verfahrensordnung des Verbandes überarbeitungsbedürftig ist und zunehmender Gewaltbereitschaft angepasst werden müsste. Gewaltbereite Zuschauer und das Gebiet Pyrotechnik waren bisher nicht ausreichend verankert.

Klingt nach drastischeren Maßnahmen. Ist der Strafenkatalog zu lasch? Der Strafenkatalog ist nicht zu lasch. Man muss ja auch mit Augenmaß zur Sache gehen. Wir können keine Geldstrafen von 5000 Euro oder mehr verhängen. Aber es wird welche geben, die wehtun. Letztes Jahr etwa ist beschlossen worden, dass auch Gastvereine für ihre Fans verantwortlich sind und mit einer Strafe belegt werden können.

Heißt das, angesichts der Entwicklung dürfen sich Vereine vermehrt auf Kosten wegen Mängeln in punkto Ordnung und Sicherheit einstellen?

Es wird so sein. Ich nehme das Beispiel Gebesee. Wenn ich weiß, dass ein Spiel auf dem Nebenplatz stattfindet, muss ich mir mehr Gedanken über Sicherheit machen. Es ist Vereinssache, wenn es dann zu Ausschreitungen kommt.

Ist das nicht gerade für die kleinen Vereine eine viel zu große Verantwortung?

Es ist zweifellos ein sehr hohes Maß an Verantwortung - für die Klubs und gerade auch für Trainer und Betreuer. Wenn von draußen Ärger hineingetragen wird, zieht sich der durch das Geschehen auf dem Feld.

Gespräch: Steffen ESS

Kommentar: Schon kleine unscheinbare emotional geprägte Gegebenheiten auf oder außerhalb des Spielfeldes, während oder nach dem Spiel können Auslöser für solche Tumulte sein. Das wird auch eine mehrfache Anzahl an Ordnern oder das Austragen des Spiels auf dem Hauptplatz nicht verhindern können.  


Quelle:TA, Lokalteil Sömmerda, 27.11.2009